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Das Volksbegehren "Kein neues AKW in Bayern" - großer Erfolg in der Geschichte der ÖDP

Fünf Standorte waren in Bayern bis zum April 2000 für ein zusätzliches Atomkraftwerk reserviert.

20 Jahre lang haben Bürgerinitiativen, Landräte und Bürgermeister für die Streichung dieser Pläne gekämpft - ihr Anliegen verschwand stets in der Schublade des Wirtschaftsministers.

Erst das ÖDP-Volksbegehren "Kein neues Atomkraftwerk in Bayern" zwang die Staatsregierung zur Aufgabe der AKW-Standorte.

Dokumentation zur Standortsicherung

Am 31. Januar 1986 trat der fachliche Plan des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Verkehr "Standortsicherungsplan für Wärmekraftwerke - Fortschreibung" in Kraft. Im Jahr des größten Unfalls in der Geschichte der sog. friedlichen Nutzung der Atomenergie (Tschernobyl) wurden in Bayern u. a. fünf Standorte offen gehalten, die "den Erfordernissen der nuklearen Sicherheit und des Strahlenschutzes bestmöglich entsprechen".

Jahrelange Auseinandersetzungen mit heftigstem Widerstand und Unterschriftensammlungen aus der Bevölkerung gegen ein mögliches neues Atomkraftwerk beeindruckten die Staatsregierung in keinster Weise. Die Bayernwerk AG forderte im November 1994 den Neubau eines AKW`s, obwohl wegen des stagnierenden Stromabsatzes in Deutschland kein zusätzlicher Energiebedarf bestand. Die damals geplante Energierechtsnovelle und die Liberalisierung der europäischen Elektrizitätsmärkte sollte diese Forderung begründen.

Am 29. Januar 1997 hatte die Münchener ödp-Stadträtin, Mechthild von Walter, einen Beschlussantrag eingebracht, der die Streichung aller Kernkraftwerksstandorte im Standortsicherungsplan und den Ausstieg aus der Kernenergienutzung forderte. Zunächst hatte das Fachreferat im Wirtschaftsministerium eine vom Umweltschutzreferenten der Stadt München eingeholte Stellungnahme abgelehnt. Am 03. März 1997 antwortet dann Dr. Otto Wiesheu, der bayerische Staatsminister für Wirtschaft, Verkehr und Technologie u. a.:

Die bayerische Staatsregierung hält die Stromerzeugung aus Kernenergie sowohl regional für Bayern als auch international für unverzichtbar ...

Zur weiteren Nutzung der Kernenergie sind geeignete Standorte notwendig, die vorsorglich freigehalten werden müssen.

Der Antrag der ödp ist deshalb abzulehnen.


Anfang Februar 1998 wurde in aller Eile und Stille ein neues Atomgesetz verabschiedet, das als wesentliche Verschlechterung ein standortunabhängiges Prüf- und Genehmigungsverfahren für AKW's vorsieht. Siemens hatte einen neuen Standardreaktor-Typ entwickelt, der wesentliche neue Sicherungsdetails enthalten sollte.

Dieser Reaktor soll weltweit vertrieben werden und der Atomenergie neuen Auftrieb geben. Logische Voraussetzung: er muss mindestens einmal in Deutschland gebaut werden. Das Risiko, dass dieser Reaktor auf einem der "reservierten" Standorte in Bayern errichtet werden könnte, war damit extrem hoch.

Der ÖDP-Bundessprecher für Energiepolitik, der Münchner Prof. Dr. Klaus Buchner, ging gemeinsam mit der bayerischen ödp der Frage nach: Was kann getan werden, um wenigstens den weiteren Ausbau der Atomenergie zu verhindern? Atomrecht ist Bundesrecht; weshalb ein Volksbegehren in Bayern, welches Planung, Bau und Betrieb von AKW`s verbieten würde, nicht zulässig ist. Der einzige auf Landesebene gangbare Weg erschien darin, die weitere Nutzung zu erschweren, indem zunächst die Streichung der bestehenden Standorte für mögliche AKW`s aus dem Standortsicherungsplan, der lediglich auf dem Verordnungsweg zustande gekommen war, erreicht wird, und gleichzeitig zu verlangen, dass eine künftige Standortsicherung für AKW`s nur auf dem Gesetzesweg, also über den Landtag möglich ist. Es müsste lediglich das Landesplanungsrecht in wenigen Punkten geändert werden.

Um dieses Ziel zu erreichen, startete die bayerische ödp am 12. Jahrestag der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, am 26.04.1998, das Volksbegehren "Kein neues Atomkraftwerk in Bayern!".

Bereits am 04. Juli 1998 waren unter kräftiger Mithilfe der an den reservierten Standorten aktiven Bürgerinitiativen 26.000 Unterstützungsunterschriften für die Zulassung des Volksbegehrens gesammelt und unerwartet stand damit die Atompolitik im Mittelpunkt des bayerischen Landtagswahlkampfes. Bei seinem Wahlauftritt am 05. Juli 1998 in Rosenheim auf die Diskussion um ein Kernkraftwerk in Marienberg angesprochen, stellte der bayerische Ministerpräsident Dr Edmund Stoiber eine Änderung des Standortsicherungsplans in Aussicht mit dem Bemerken: "Mit absoluter Sicherheit werden wir in Bayern kein zusätzliches Atomkraftwerk mehr brauchen". Eine wahltaktische Aussage, denn in den nächsten Wochen und Monaten wurde es wieder still um die in Aussicht gestellte Anderung des Standortsicherungsplans.

Nachdem die ÖDP angedroht hatte, die Zulassungsunterschriften für das Volksbegehren "Kein neues Atomkraftwerk in Bayern" im März 1999 einzureichen, falls die Streichung nicht unverzüglich erfolgt, kündigte Wirtschaftsminister Wiesheu Mitte Februar 1999 die Streichung der reservierten Standorte an und legte dem Landtag den Gesetzentwurf der Staatsregierung "zur Änderung des Bayerischen Landesplanungsgesetzes und der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern" vor (Landtagsdrucksache 14/1968).

Nach zögerlicher Beratung im Ausschuss für Landesentwicklung und Umweltfragen wurden die AKW-Standorte schließlich im Landtagsplenum vom 13./14.4.2000 mit der Annahme dieses Gesetzes endgültig gestrichen. Die von der ÖDP gesammelten Unterschriften für die Zulassung des Volksbegehrens wurden folglich nicht mehr im Innenministerium eingereicht, da das Ziel erreicht war.

Fazit:
Es muss nicht immer bis zum eigentlichen Volksentscheid kommen. Wenn sich die Staatsregierung argumentativ in der Defensive fühlt und eine Niederlage befürchtet, kann bereits die bevorstehende Beantragung eines Volksbegehrens die Regierenden zum Einlenken zwingen - vorausgesetzt das Projekt wird von einer landesweit und flächendeckend präsenten Organisation betrieben. Allein die Existenz des Instrumentes Volksbegehren sichert den Bürgerinnen und Bürgern auch zwischen den Wahlen Mitspracherechte, selbst wenn es dann doch nicht bis zum eigentlichen Volksentscheid kommt. Die ÖDP wird als außerparlamentarische Opposition auch in Zukunft wichtige direktdemokratische Projekte unterstützen oder selbst initiieren.